Der Tag
war heiß, das Wetter schwül, die Leute launisch. Was ihnen nicht zu verdenken
war, bei 35 Grad Außentemperatur. Zum Glück hatten die meisten von ihnen ihren
Kopf den größten Teil des Tages unter Wasser. Und schon wie an den letzten
beiden, war diesen Sonntag wieder die seltsame Frau im Freibad, die vor 2
Wochen das erste Mal mein Interesse geweckt hatte.
Auch
heute saß sie wieder die ganze Zeit entweder am Rand des Schwimmerbeckens oder
auf der Bank gleich dahinter. Zum ersten Mal als ich sie sah, fragte ich mich
noch warum sie nie selbst ganz ins Wasser ging. Da das Freibad weder groß war,
noch irgendwelche Attraktionen zu bieten hatte, verirrten sich kaum Leute von
weit weg hierher.
Da lag
es nur nahe, einfach meine Mutter zu fragen, ob sie die Dame kannte. Meine erste
Beschreibung reichte ihr aber nicht, um sie zu identifizieren. Ich fragte auch
lediglich, ob sie eine seltsame Frau kannte, die immer wieder im Freibad
auftaucht. Erst als ich ihr kurzes, zerzaustes Haar erwähnte, schien meine
Mutter eine Idee zu bekommen um wen es sich handeln könnte.
Sie
meinte, dass es eine ehemalige Klassenkollegin aus der Grundschule sein könnte.
Ich sollte schauen ob sie am Hals zwei dunkle Muttermale hat. Als ich dann am
Abend vom Schwimmen nach Hause kam, bestätigte ich ihre Vermutung. Darauf
veränderte sich der Ausdruck im Gesicht meiner Mutter. Sie wirkte ein wenig
besorgt, gerade so viel, dass ich noch einmal nachhaken musste.
Etwas
widerwillig erzählte sie mir dann die Geschichte der Frau, von der ich immer
noch nicht glauben kann, dass sie genauso alt wie meine Mutter sein soll…
Als sie
noch gemeinsam zur Grundschule gingen, hatte ihr Vater sie des Öfteren misshandelt.
Damals aber fehlten die nötigen Beweise um etwas dagegen zu unternehmen. Auch
wenn die Eltern der anderen Kinder genau wussten was los war, wenn einer ihrer
Schützlinge nach Hause kam und von den schrecklichen blauen Flecken auf Katis
Körper erzählten. Eigentlich hieß sie Katja, aber ihre Mitschülerinnen gaben
ihr diesen Spitznamen.
Erst als
Teenager öffnete sie sich ein einziges Mal gegenüber einem Lehrer und das
reichte, um ihren Vater für eine lange Zeit wegzusperren. Die Jahre darauf
verbrachte Katja in einem Heim, in das sie vom Jugendamt gesteckt worden war,
da auch ihre Mutter zu dieser Zeit nicht in der Lage war für sie zu sorgen.
Das
skurrile an der ganzen Geschichte aber ist, dass Katja ihren Vater nach 25
Jahren Haft bei ihr zu Hause aufnahm. Beim besten Willen konnte ich mir den
Gedanken nicht verkneifen, dass er sie irgendwie bedroht oder bestochen und
somit dazu gezwungen hatte…
Und dann
saß ich da, wieder eine Woche später, und direkt vor mir am Beckenrand saß Katja.
Wie üblich hatte sie eine dicke weiße Schicht Sonnencreme über ihre Arme und
Beine verteilt. Nur ihr Rücken war knallrot. Wahrscheinlich hatte sie
niemanden, der ihr den Rücken eincremte, aber einen Vater der mich missbraucht
hatte, würde ich auch nicht danach fragen.
Für gut
10 Minuten hatte ich überlegt, wie ich ein Gespräch mit ihr anfangen könnte, und
beschloss dann einfach meine Mutter zu erwähnen. Als sie dann ihren Namen
hörte, schien sie ein wenig fröhlicher zu sein. Ein kleines Lächeln hatte sich
in ihr sonst so fades Gesicht geschlichen.
„Jetzt
wo du es sagst, bemerke ich dass du ihr wirklich ähnlich siehst.“, merkte sie
an.
Sie sprach zwar sehr leise, aber ihre Stimme wirkte ruhig und angenehm.
Erst jetzt fiel mir auf, dass ihr Blick immer einem älteren Herrn folgte, der
sich im Wasser abrackerte. Er war auf jeden Fall nicht der beste Schwimmer.
„Kennen
Sie den Mann?“, fragte ich höflich. Als Antwort nickte sie nur kurz und sagte:
„Das ist mein Vater.“ Das Lächeln in ihrem Gesicht war noch nicht verschwunden,
dafür das aus meinem aber umso schneller. Ich müsste lügen, wenn ich sagte,
dass ich für diesen Menschen keinen Hass empfinden würde, auch wenn er dort im
Wasser noch so hilflos wirkte. Trotzdem wusste ich nicht was ich sagen sollte
und musste mich verabschieden um mich nicht in ihre Angelegenheiten einzumischen.
Im Endeffekt ging es mich ja wirklich nichts an. Sie war zwar etwas überrascht,
sagte aber nichts darauf und nickte noch einmal als Abschied.
~
Unterhalten
hatte ich mich mit Katja wohl so gegen Mittag. Als ich dann um 8 Uhr nach Hause
wollte, saß sie immer noch am selben Fleck. Der Sonnenbrand am Rücken war noch
schlimmer geworden, nur der Rest war im Vergleich dazu blass. Das Freibad hatte
sich schon fast komplett geleert. Neben uns und dem Bademeister waren
vielleicht noch 2 oder 3 Andere hier. Gerade als ich mich eigentlich unbemerkt
an Katja vorbeischleichen wollte, erblickte sie mich und sah mich glücklich und
irgendwie verträumt an. Stolz sagte sie zu mir:
„Ist das
nicht toll? Mein Vater hat vor zwei Wochen erst zu schwimmen gelernt, und jetzt
taucht er schon eine halbe Stunde!“
Hallo Toki,
AntwortenLöscheninteressante und skurile Geschichte mit einem heftigem Ende. Den Anfang fand ich etwas zu sprunghaft. Ich würde der Szene mit dem Bemerken der Frau und dem erweckten Interesse ein paar mehr Sätze widmen. Dass die Frau da ist, sie es schon die beiden Sonntage zuvor war und dass es dieses Interesse gibt, ist hier in nur einem Satz. Gib dem Leser vielleicht etwas Zeit sich auch für die Frau zu interessieren.
Stolz ist sie wohl nicht wirklich? Mit dem Wort lägst du das Gewicht darauf, dass sie geistig zurück geblieben ist, was durchaus möglich ist. Ist das beabsichtigt?
Liebe Grüße,
Marc
Danke erstmal für die Kritik, du bist einer der Wenigen, die sich am Ende auch Zeit dafür nehmen um mir zu sagen, was sie von der Geschichte halten.
LöschenBeim Anfang muss ich dir recht geben, hab ihn mir eben noch einmal durchgelesen. Vielleicht überarbeite ich es noch einmal.
Und ja, das mit dem Stolz war schon so beabsichtigt, auch damit, dass sie am Ende wie du gesagt hast "geistig zurück geblieben ist". Das war durchaus auch mein Grundgedanke. Obwohl einer meiner Freunde das Ende eher als Witz, und die Story an sich sehr belustigend fand. Liegt wohl sehr im Auge des Betrachters ;)